Das Lebendige Wissen indigener Kulturen
Indigene Kulturen haben ein Wissen über die natürlichen Lebensprinzipien bewahrt mit der Kraft uns und die Erde wieder ins Gleichgewicht zu bringen
Noch nie zuvor haben wir so viel Wissen angesammelt wie heute. Nie zuvor hatten wir so viel Technologie wie heute und noch nie zuvor waren wir so Orientierungslos wie heute. Indigene Kulturen glauben, dass das was wir in der Natur sehen, die ursprünglichen Prinzipien sind, die auch für uns Menschen gelten. Wir leben heute in einer chaotischen Gesellschaft, die ein Leben als normal bezeichnet, das nicht mehr im Einklang mit den natürlichen Lebensprinzipien steht. Die Folgen sind eine starke Zunahme von Krankheiten, insbesondere psychischen Krankheiten wie Angsterkrankungen, Depressionen und Burnout. Doch die Zunahme der Krankheiten, die wir im Inneren beobachten, können wir auch im Außen beobachten. Den Ökosystemen auf der Erde geht es zunehmend schlechter sie geraten aus dem Gleichgewicht. Das Wissen von indigenen Kulturen kann uns helfen uns wieder zu orientieren, uns aus diesen ungesunden Mustern zu lösen und zurück in eine natürliche Ordnung zu finden – auch in einem modernen Leben bei uns heute.
Das Wissen von indigenen Kulturen wird nicht schriftlich fixiert, sodass es immer lebendig bleibt. Daraus ergibt sich eine natürliche Fokussierung auf das Wichtige und Wesentliche, das was hinter den Wörtern liegt, die Essenz. Es ist ein Wissen über die ursprünglichen Lebensprinzipien die im Einklang mit der Natur allen Lebens stehen. Die Rückbesinnung auf diese natürlichen Lebensprinzipien und das regelmäßige praktizieren von Übungen sich mit der heimischen Natur und sich selbst zu verbinden ist der Kern einer indigenen Praxis. Es ist ein Wissen, das nur mündlich weitergegeben werden kann, denn es ist ein Wissen von Herz zu Herz. Es ist das ursprüngliche Wissen der Menschheit, das auch hier bei uns einmal gelebt worden ist bevor unsere hiesigen Überlieferungslinien zerstört worden sind.
Es geht bei der Beschäftigung mit dem indigenen Wissen um eine immer tiefere Selbsterkenntnis. Dabei ist das Wissen frei von Dogmen, religiösen Ansichten und Moral. Es geht nicht darum wie bei uns in der Schule etwas auswendig zu lernen, oder zu glauben was irgendwo geschrieben steht oder irgendjemand gesagt hat. Manchmal geht es sogar viel mehr darum etwas zu verlernen, als etwas zu lernen. Es geht darum selbst die Dinge zu erfahren und daraus die Erkenntnisse abzuleiten wie die Dinge sind. Als Lehrer kann ich nur die Erfahrungsräume kreieren, die Erfahrungen und die Erkenntnisse sammelt jeder für sich selbst. Dabei geht es immer darum in seiner Selbsterkenntnis zu wachsen und zu heilen, sodass du dich immer tiefer mit deinem wahren, echten, authentischen Selbst verbinden kannst.
Kogi | Kolumbien
Die Kogi sagen: „Wenn wir heilen, dann kann auch die Erde wieder heilen.“ Aus ihrer Perspektive gibt es keinen Unterschied zwischen dem gesundheitlichen Zustand der Erde und unserer eigenen Gesundheit. Für sie ist der derzeitige Zustand der Erde nur ein Spiegel unseres inneren Zustandes. Die Kogi leben zurückgezogen in den nördlichen Ausläufern der Anden in Kolumbien. Sie verfügen über ein beeindruckendes soziales und ökologisches Wissen. Sie leben ohne Machthierarchien und orientieren sich an den natürlichen Lebensprinzipien, die sie aus der Natur ablesen. Die Kogi blicken auf eine über 4.000 Jahre alte mündliche Tradition zurück in der sie ihre hoch entwickelten sozialen und ökologischen Prozesse und Praktiken von Generation zu Generation weitergeben. Dieses ursprüngliche Wissen, wie man sich selbst und die Erde im Gleichgewicht hält, teilen sie seit einige Zeit mit uns. Sie sind um unseren Zustand und den Zustand der Erde besorgt und möchten uns helfen uns wieder zu erinnern. Arregoces Coronado Zarabata formuliert das so: „Wenn wir euch unsere Arbeit erklären, dann immer nur als Türöffner, damit ihr zurück zu eurem eigenen Wissen und eurem eigenen Weg findet.“ Ich bin den Kogi sehr dankbar dafür, dass sie ihr Wissen mit uns teilen, trotz der Gewalt, die sie in der Vergangenheit erlebt haben. Ich möchte dazu beitragen, dass ihre uralten Perspektiven und Methoden, wie wir uns Menschen und damit auch die Erde im Gleichgewicht halten können, wieder für Menschen zugänglich werden in unserer Kultur.
Anden | Peru
Wie bei den Kogi konnten auch in den Anden von Peru einige sehr ähnliche mündliche Überlieferungslinien über die spanische Kolonialisierung hinweg bewahrt werden. Eine uralte mündliche Weisheitstradition, deren Überlieferungslinien bis weit in eine Zeit vor der Inka-Kultur reicht. Ihre lebendige Praxis der inneren, spirituellen Arbeit hat wie bei den Kogi eine starke Verbindung zur Erde und der Natur. Seit etwa zwei Jahren gibt mein Lehrer Illaripa sein Wissen über diese uralten Werkzeuge und Perspektiven an mich weiter. Es sind uralte Werkzeuge der Menschheit die Traumata unserer Vergangenheit zu harmonisieren und uns mit unserer Essenz, mit unserem wahren, authentischen Selbst zu verbinden um ein gutes Leben in Synchronizität zu führen. Mit Illaripa habe ich die Erfahrung machen dürfen, wie hilfreich es ist mit einem Lehrer die innere Wanderung anzutreten. Er hat mich schon vor einigen Irrwegen bewahrt und mir viele Abkürzungen gezeigt, dafür bin ich ihm sehr dankbar. Nun ist es für mich an der Zeit auch selbst Menschen zu begleiten und ihnen eine Orientierung zu geben auf ihrer inneren Wanderung. Ich freue mich all die Techniken gemeinsam zu vertiefen und zu erkunden um sie auch hier bei uns in der Kultur wieder zu etablieren. Ein universelles Wissen, dass auch unsere Vorfahren damals in einer ganz ähnlichen Weise gelebt haben.
Unser Wissen
Auch hier bei uns haben die Menschen früher in einer engen Verbindung zur Natur gelebt. Auch sie fixierten ihr Wissen nicht schriftlich und gaben es über uralte mündliche Überlieferungslinien an ihre Nachfahren weiter. Doch mit zunehmenden Machthierarchien wurde die selbstbestimmte indigene Lebensweise als eine Bedrohung angesehen. Die letzten verbleibende indigene Kultur Europas lebte mit etwa elf verschiednen Volksstämmen auf dem heutigen Gebiet des nördlichen Polens und ist unter dem Namen „Prussen“ bekannt.
Sie sind unsere letzten indigenen Vorfahren und verstanden sich noch zusammen mit den Pflanzen, Bäumen und Tieren als Teil einer großen Gemeinschaft des Lebens. Sie sahen es als ihre Aufgabe an, sich um diese Gemeinschaft des Lebens zu kümmern und das Land auf dem sie lebten zu hüten. Die einzigen Zeugnisse, die wir heute noch von ihnen haben sind Berichte ihrer Aggressoren, die sie später in Geschichtsbüchern nur als minderwertige Heiden bezeichneten. Der christliche Missionar Peter von Dusberg schrieb damals über sie: „Weil sie also Gott nicht kannten, deshalb verehrten sie in ihrem Irrtum jegliche Kreatur als göttlich, nämlich Sonne, Mond und Sterne, Donner, Vögel auch vierfüssige Tiere, ja sogar die Kröte. Sie hatten auch Wälder, Felder und Gewässer, die sie so heilig hielten, dass sie in ihnen weder Holz zu hauen noch Äcker zu bestellen oder zu Fischen wagten.“
Das indigene Wissen und die Überlieferungslinien der Prussen wurde schließlich im Mittelalter von den aus Jerusalem heimkehrenden Kreuzrittern zerstört. Diese Zeit gilt als der Beginn des Kolonialismus der sich später von Europa aus über die ganze Welt verbreitete und dem nahezu die gesamte indigene Lebensweise zum Opfer fiel. Der Kern des Kolonialismus ist die Ausbeutung und der Gedanke von Höher- und Minderwertigem Leben. Ein Gedanke unter dem wir in gewisser Form noch heute leiden. Später errichtetet der Orden der Kreuzritter die damals größte Burg der Welt im heutigen Polen, die Marienburg. Mit der Hexenverbrennung in der frühen Neuzeit wurden die letzten indigenen Weisen, die versuchten das alte Wissen zu bewahren, getötet. Die indigenen Weisen waren für die Machthaber immer ein Problem, denn sie waren nicht manipulierbar. Im Gegensatz zu dem Leitgedanken der Mächtigen: „Teile und Herrsche“ waren die indigenen Weisen nicht daran interessiert die Bevölkerung zu verängstigen, sondern im Gegenteil. Indigenes Wissen ist immer ein Mittel um Heil, sprich Ganz zu werden und zurück in die eigene Lebendigkeit zu finden. Der Leitgedanke ist viel mehr „Heile und Wachse“.
Leider sind die Überlieferungslinien und das Wissen bei uns weitgehend zerstört worden. Doch die überlebenden indigenen Kulturen können uns heute helfen uns wieder zu erinnern und unseren eigenen Weg wiederzufinden zurück zu einem guten Leben in Synchronizität mit der Natur und der Erde. Das bedeutet nicht, dass wir so leben müssen wie die Kogi, die Menschen in den Bergdörfern der Anden oder die Prussen. Doch wir können von ihnen das lernen, was unser eigenes Leben bereichert, sodass wir nicht unter Angst und Depressionen leiden müssen und auch aktiv einen gesellschaftlichen Beitrag leisten können in diesen herausfordernden Zeiten. Ich sehe es als meine Aufgabe, dieses uralte Wissen auch hier bei uns wieder zugänglich zu machen. Und ich freu mich, wenn du eine Verbindung spürst, wenn du lernen möchtest.